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Achtsamkeit in der Familie

Leandra Vogt
Leandra Vogt
Stand: 1. Juni 2023

In unserem hektischen und schnelllebigen Alltag sehnen wir uns oft nach Momenten der Ruhe, Verbundenheit und Gelassenheit. Besonders in der Familie, wo der Alltag für uns Eltern von zahlreichen Verpflichtungen und Anforderungen geprägt ist, kann Achtsamkeit einen wertvollen Beitrag leisten, um eine harmonische und liebevolle Atmosphäre zu schaffen. Aber was genau bedeutet Achtsamkeit in der Familie? Wie kannst du sie im Alltag tatsächlich leben und welche Vorteile bietet sie überhaupt? In diesem Text werden wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen, unterstützt von wissenschaftlichen Studien und Erkenntnissen aus der Forschung, um die Bedeutung von Achtsamkeit in der Familie genauer anzuschauen. Ausserdem erhältst du verschiedene Impulse für mehr Achtsamkeit in deinem Leben mit Kind – ganz ohne sie als weiteres, lästiges To-Do im Alltag zu erleben.

Achtsamkeit kannst du als die bewusste und nicht-wertende Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Moment definieren. Es geht darum, den Moment mit allen Sinnen wahrzunehmen, ohne in Sorgen oder Gedanken an die Vergangenheit oder auch an die Zukunft abzudriften. Achtsamkeit bedeutet, präsent zu sein, ohne Urteile zu fällen und ohne von äußeren Reizen abgelenkt zu sein.

Klingt gut und schön, ist aus deiner Sicht im Leben mit Kind aber wohl kaum umsetzbar?

Das können wir gut verstehen und möchten im Folgenden zum einen die Vorteile von Achtsamkeit in der Familie beleuchten. Dann wollen wir jedoch das Augenmerk vor allem darauflegen, wie es gelingen kann, Achtsamkeit mit und trotz Kindern zu leben, ohne es als lästiges To-Do zu empfinden, sondern vielmehr, um von den Vorteilen der Achtsamkeit bestmöglich profitieren zu können.

Drei gute Gründe für gelebte Achtsamkeit in deinem Familienalltag:

Drei Impulse zur gelebten Achtsamkeit in deiner Elternschaft:

Nun wollen wir uns darauf konzentrieren, wie du Achtsamkeit im Familienalltag und in deiner Elternschaft praktizieren kannst, um von den verschiedenen positiven Auswirkungen profitieren zu können. Wie mit so vielen Dingen, braucht es für unsere Kinder uns als Leitfigur und auch als Raumgeber, damit sie genügen Möglichkeiten haben, um ihrer Achtsamkeit zu folgen. Für uns Erwachsene ist es neben all den vielen To-Dos und Anforderungen im Alltag gar nicht so einfach. Hier sind drei Tipps für mehr Achtsamkeit in deiner Elternschaft, frei von Zwang und Selbstoptimierungswahnsinn:

1. Selbstfürsorge praktizieren:

Die Rolle als Elternteil kann oft überwältigend sein, und es ist leicht, sich in den Bedürfnissen und Anforderungen der Kinder zu verlieren. Um jedoch in der Elternschaft achtsam zu sein, ist es wichtig, dass du auch auf deine eigenen Bedürfnisse achtest und regelmäßig Selbstfürsorge praktizierst. Indem du dir Zeit für dich selbst nimmst und dich um dein körperliches, emotionales und geistiges Wohlbefinden kümmerst, kannst du deine Energie aufladen und besser für deine Kinder da sein. Dies kann bedeuten, regelmäßig Sport zu treiben, genug Schlaf zu bekommen, gesunde Mahlzeiten zu essen, Zeit für Hobbys und Interessen zu finden oder dich einfach mit einer Tasse Tee und einem guten Buch zurückzuziehen. Indem du für dich selbst sorgst, zeigst du deinen Kindern auch, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu achten und für das eigene Wohlbefinden Verantwortung zu übernehmen. [1]

2. Digitale Auszeiten:

Legt regelmäßige Zeiten fest, in denen digitale Geräte wie Smartphones, Tablets oder Fernseher ausgeschaltet werden. Nutzt diese Zeit, um bewusst miteinander zu interagieren,Gespräche zu führen oder gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen. Indem ihr den Fokus weg von den digitalen Ablenkungen lenkt, könnt ihr euch aufeinander konzentrieren und den Moment vollständig genießen. [2]

3. Achtsame Kommunikation im Alltag:

Achtsame Kommunikation beinhaltet das bewusste Zuhören und Verstehen der Perspektive deines Kindes, ohne Urteile zu fällen oder sofort Ratschläge zu geben. Du kennst das verbindende Gefühl sicher selbst, wenn du einen guten Freund alles erzählen kannst – wissend, dass er wirklich ganz bewusst zuhört und sich Zeit für deine Themen nimmt. Ebenso positiv kann es sich für dein Kind anfühlen, wenn du ihm immer wieder aktiv zuhörst und einfühlsam zu ihm sprichst. Versuche also immer mal wieder, dass du deinem Kind deine volle Aufmerksamkeit schenkst, wenn es mit dir spricht, und vermeide Ablenkungen wie Handys oder Fernseher. Zeige Interesse an dem, was es zu sagen hat, und ermutige es, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Wenn dein Kind Schwierigkeiten hat, seine Emotionen zu regulieren, kannst du ihm helfen, indem du mitfühlend reagierst und ihm dabei hilfst, seine Gefühle zu benennen und angemessene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. [3]

Integriere lieber immer mal wieder kleine achtsame Momente, anstatt dich mit Druck zur ständigen Achtsamkeit in deinem Alltag zu zwingen und dabei immer wieder zu scheitern.

Leandra Vogt

Achtsamkeit in der Familie erfordert keine Perfektion. Es geht darum, bewusst im Hier und Jetzt zu sein, sich auf die Bedürfnisse und Gefühle deines Kindes einzulassen und eine liebevolle und unterstützende Umgebung zu schaffen. Es ist eine kontinuierliche Praxis, die Zeit und Geduld erfordert. Druck und Perfektionsanspruch wirken absolut kontraproduktiv und wir möchten dich ganz klar dazu ermutigen, sanft zu dir zu sein. Im turbulenten Alltag mit Kind ist es für Eltern unmöglich, 24/7 achtsam durchs Leben gehen zu können. Wenn du dich jedoch immer mal wieder darum bemühst, achtsam zu sein und bewusste, achtsame Momente in deinen Familienalltag und in deine Elternschaft zu integrieren, wirst du vermutlich schnell feststellen, wie sich die Beziehung sowohl zu deinem Kind als auch zu dir selbst vertieft und wie sich das Familienleben insgesamt positiv verändert.

Es ist wichtig zu verinnerlichen, dass Achtsamkeit in der Familie nicht zu einem zusätzlichen Druck oder einer weiteren Aufgabe werden sollte. Es geht darum, den Moment bewusst wahrzunehmen und präsent zu sein, ohne dass es zu einer Belastung wird. Hier sind einige Tipps, um sicherzustellen, dass Achtsamkeit nicht in Druck umschlägt:

1. Sei nachsichtig mit dir selbst

Akzeptiere, dass es Zeiten geben wird, in denen du nicht immer achtsam sein kannst. Das ist normal und menschlich. Versuche es zu vermeiden, dass du dich selbst kritisierst oder verurteilst, wenn du das Gefühl hast, nicht genug achtsam zu sein. Akzeptiere, dass es gute und schlechte Tage geben wird und dass Achtsamkeit ein kontinuierlicher Prozess ist.

2. Setze realistische Erwartungen

Versuche nicht, perfekt zu sein oder bestimmten Vorstellungen davon zu entsprechen, wie Achtsamkeit in der Familie aussehen sollte. Jede Familie ist einzigartig und was für eine Familie funktioniert, mag für eine andere nicht funktionieren. Setze dir realistische Erwartungen und finde Wege, Achtsamkeit in deinen Alltag zu integrieren, die für dich und deine Familie umsetzbar sind.

3. Finde kleine Momente der Achtsamkeit

Du musst nicht stundenlang meditieren oder komplexe Achtsamkeitsübungen durchführen, um achtsam zu sein. Finde kleine Momente im Alltag, in denen du bewusst sein kannst. Das kann das gemeinsame Essen sein, ein Spaziergang im Park, das Vorlesen einer Geschichte oder das gemeinsame Spielen. Nutze diese Momente, um präsent zu sein und dich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

4. Passe Achtsamkeit an deinen Lebensstil an

Jeder hat einen anderen Lebensstil und unterschiedliche Verpflichtungen. Finde heraus, was für dich funktioniert und passe Achtsamkeit an deine individuellen Bedürfnisse an.

5. Finde Wege, wie du Achtsamkeit in deinen Alltag integrieren kannst

Es kann bedeuten, dass du ein paar Minuten am Morgen oder vor dem Schlafengehen für dich selbst reservierst, um einen Moment der Stille zu genießen oder eine kurze Atemübung zu machen.

6. Suche nach Unterstützung

Es kann hilfreich sein, sich mit anderen Eltern auszutauschen, die auch Achtsamkeit praktizieren. Teile deine Erfahrungen, Herausforderungen und Tipps mit ihnen. Du kannst auch nach lokalen Achtsamkeitsgruppen oder -kursen suchen, in denen du Unterstützung und Anleitung findest. Die Gemeinschaft und der Austausch können dazu beitragen, dassAchtsamkeit ein natürlicher Bestandteil deines Familienlebens wird, ohne dass es zu einem weiteren Stressfaktor wird.

Letztendlich geht es bei Achtsamkeit darum, den gegenwärtigen Moment bewusst zu erleben und eine tiefere Verbindung sowohl zu dir selbst als auch zu deiner Familie aufzubauen. Wenn du achtsam bist, ohne Druck oder Erwartungen, wirst du ziemlich sicher feststellen, dass es dir und deiner Familie zugutekommt und zu einem harmonischen und liebevollen Familienleben beiträgt.

Das sagt die Wissenschaft

Die wissenschaftliche Forschung zur Achtsamkeit in Familien hat gezeigt, dass sie zahlreiche positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Beziehungen innerhalb der Familie haben kann. Hier sind einige wichtige Erkenntnisse:

Höhere Stresskompetenz

Ob Stress, Resilienz oder die zuversichtlichere Grundhaltung – diverse Studienergebnisse zeigen, dass Kinder, die Achtsamkeit in ihrem Alltag praktizieren, eine verbesserte Fähigkeit zur Stressregulation und eine verringerte Reaktivität auf stressige Situationen zeigten. [2][3][4]

Verbesserte emotionale Gesundheit

Eine Meta-Analyse von Xue, Zhang, Huang untersuchte eine achtsamkeitsorientierte Familienintervention bei Familien mit Kindern im Autismus-Spektrum. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der emotionalen Gesundheit der Kinder und eine Verringerung von Verhaltensproblemen. Weiter ergibt sich aus der Forschung, dass Achtsamkeit zu einer erhöhten Fähigkeit der Emotionsregulation und einem erhöhten Gefühl der Zufriedenheit beitragen kann. [5][6][7]

Bindungsförderung

Eine Untersuchung der University of Massachusetts Medial School zeigte, dass achtsame Eltern eine höhere Qualität der Interaktion mit ihren Kindern aufweisen. Die Forscher stellten fest, dass Eltern, die achtsam waren, besser in der Lage waren, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen, eine größere emotionale Unterstützung zu bieten und eine stabilere Bindung aufzubauen. [8]

Quellen

[1] Gu, J., Strauss, C., Bond, R., & Cavanagh, K. (2015). How do mindfulness-based cognitive therapy and mindfulness-based stress reduction improve mental health and wellbeing? A systematic review and meta-analysis of mediation studies. Clinical psychology review, 37, 1– 12. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2015.01.006

[2] Joyce, S., Shand, F., Tighe, J., Laurent, S. J., Bryant, R. A., & Harvey, S. B. (2018). Road to resilience: a systematic review and meta-analysis of resilience training programmes and interventions. BMJ open, 8(6), e017858.

[3] Klingbeil, D. A., Renshaw, T. L., Willenbrink, J. B., Copek, R. A., Chan, K. T., Haddock, A., … Clifton, J. (2017). Mindfulness-based interventions with youth: A comprehensive meta- analysis of group-design studies. Journal of School Psychology, 63, 77–103. https://doi.org/10.1016/j.jsp.2017.03.006

[4] Zenner, C., Herrnleben-Kurz, S., & Walach, H. (2014). Mindfulness-based interventions in schools-a systematic review and meta-analysis. Frontiers in psychology, 5, 603. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2014.00603

[5] Xue, J., Zhang, Y., Huang, Y., & Tusconi, M. (2019). A meta-analytic investigation of the impact of mindfulness-based interventions on ADHD symptoms. Medicine (United States), 98(23). https://doi.org/10.1097/MD.0000000000015957

[6] Dunning, D. L., Griffiths, K., Kuyken, W., Crane, C., Foulkes, L., Parker, J., & Dalgleish, T. (2018). Research Review: The effects of mindfulness-based interventions on cognition and mental health in children and adolescents – a meta-analysis of randomized controlled trials. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 60(3), jcpp.12980. https://doi.org/10.1111/jcpp.12980

[7] Chi, X., Bo, A., Liu, T., Zhang, P., & Chi, I. (2018, June 21). Effects of mindfulness-based stress reduction on depression in adolescents and young adults: A systematic review and meta-analysis. Frontiers in Psychology. Frontiers Media S.A. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.01034

[8] Kabat-Zinn, J. (2003). Mindfulness-based interventions in context: past, present, andfuture. Clin. Psychol. 10, 144–156. doi: 10.1093/clipsy/bpg016