Drohungen in der Erziehung sind leider keine Seltenheit. Eltern greifen oft zur "Wenn-dann-Keule", um ihre Kinder zur Kooperation zu zwingen. Sätze wie "Wenn du nicht sofort aufräumst, bekommst du keine Süßigkeiten mehr" oder "Wenn du dich nicht benimmst, bleibst du zu Hause" sind allzu bekannt. Doch warum tun wir das eigentlich? Sind diese Erziehungsmethoden sinnvoll? Und was kann ich tun, wenn ich immer wieder dazu neige, Strafen anzudrohen?
Indem wir uns eingestehen, dass wir drohen und strafen und uns bewusst machen, warum wir das tun, können wir einen ersten Schritt in Richtung positiver Veränderungen machen. Wir können auf Grundlage dessen alternative Ansätze erkunden, die gut zu uns und unserer Familie passen und die auf Kommunikation, Empathie und Verständnis basieren.
Es gibt verschiedene, mögliche Gründe dafür, dass wir als Eltern dazu neigen, zu bestrafen:
Einer dieser Gründe liegt darin, dass wir manchmal selbst mit unseren eigenen Emotionen und Stress kämpfen. Der Alltag kann herausfordernd sein, und es ist verständlich, dass wir in manchen Momenten an unsere Grenzen kommen. Die Verwendung von Strafen dient uns dann häufig als ein Ventil, um unsere eigene Frustration abzulassen.
Darüber hinaus werden wir als Eltern oft von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen beeinflusst. Wir möchten, dass unsere Kinder sich anpassen können, erfolgreich sind und sich in der Gesellschaft zurechtfinden. Strafen scheinen manchmal der schnellste Weg zu sein, um bestimmte Verhaltensweisen zu unterbinden.
Ein weiterer Grund, warum wir als Eltern zu Bestrafungen neigen, liegt in unserer eigenen Erziehungsgeschichte. Oft orientieren wir uns an den Erziehungsmethoden, die wir selbst als Kind erlebt haben. Wir reproduzieren Muster und Überzeugungen, ohne uns bewusst zu machen, dass es auch alternative Ansätze gibt.
Es ist wichtig zu erkennen, dass die Neigung zur Bestrafung auch aus guten Absichten entstehen kann. Wir wollen das Beste für unsere Kinder und hoffen, dass sie aus Fehlern lernen. Doch ist es nicht auch entscheidend, über die Auswirkungen von Strafen auf ihre Entwicklung nachzudenken?
Die Auswirkungen von Drohungen und Strafen auf die psychische Entwicklung von Kindern sind ein Thema von großer Bedeutung, das umfassend erforscht wurde und wird. Zahlreiche Studien und Forschungsergebnisse legen nahe, dass diese Erziehungsmethoden negative Folgen für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Kinder haben können:
Kinder, die regelmäßig mit Drohungen konfrontiert sind, entwickeln häufiger Verhaltensprobleme, haben ein geringeres Selbstwertgefühl und zeigen eine höhere Aggressivität [1].
Drohungen erzeugen Angst und Unsicherheit, was zu einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung führen kann [2].
Die Verwendung von Strafen und Drohungen kann dazu führen, dass Kinder ein negatives Verhalten nur aus Furcht vor Bestrafung vermeiden, anstatt aus einem intrinsischen Verständnis darüber, was richtig oder falsch ist, heraus [3].
Darüber hinaus gibt es einen klaren Machtmissbrauch und ein Machtgefälle in der Familie, wenn Eltern ihre Autorität nutzen, um Kinder mit Drohungen und Strafen zu kontrollieren. Kinder sind in dieser Beziehung von Natur aus unterlegen und haben wenig bis gar keine Möglichkeit, sich gegen diese Art der Erziehung zur Wehr zu setzen. Dies kann langfristig das Vertrauen und die Bindung zwischen Eltern und Kindern beeinträchtigen [4].
Eine Untersuchung von Hoffman (1983) betrachtet die Auswirkungen von Autoritarismus und körperlicher Bestrafung auf die Entwicklung von Schuldgefühlen und moralischem Verhalten bei Kindern. Die Ergebnisse legen nahe, dass Kinder, die häufig körperlicher Bestrafung ausgesetzt waren, eher externe Kontrollüberzeugungen entwickelten und weniger in der Lage waren, ein inneres moralisches Regelwerk aufzubauen [4].
Diese Studien- und Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass Drohungen und Strafen in der Erziehung erhebliche Auswirkungen auf die psychische Entwicklung von Kindern haben können. Kinder, die regelmäßig mit Drohungen und Strafen konfrontiert werden, können ein geringeres Selbstwertgefühl, erhöhte Aggressivität, Verhaltensprobleme und eine gestörte moralische Entwicklung aufweisen.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Befunde nicht bedeuten, dass elterliche Disziplin oder Grenzen falsch sind. Kinder benötigen Struktur und Orientierung, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Allerdings empfiehlt es sich mit Blick auf die emotionale Gesundheit unserer Kinder, alternative Erziehungsmethoden, die auf positiver Verstärkung, Kommunikation und Verständnis basieren, anstatt auf Drohungen und Strafen zu berücksichtigen.
Auch dann, wenn du in der Vergangenheit nicht so gehandelt hast, wie es heute deinen Werten entsprechen würde, kannst du heute und jetzt anders handeln. Es ist nie zu spät für positive Veränderung.
Elternschaft ist eine Reise des Lernens und Wachsens, und es ist nie zu spät, neue Wege zu beschreiten. Indem wir uns mit unseren eigenen Gefühlen auseinandersetzen, alternative Erziehungsmethoden erforschen und uns gegenseitig unterstützen, können wir eine positive Veränderung bewirken und unseren Kindern die liebevolle Führung bieten, die sie brauchen.
Anstatt das Verhalten deines Kindes zu unterbinden, versuche, mit deinem Kind auf Augenhöhe zu sprechen und es zu verstehen. Zeige Empathie und höre aktiv zu, um die Beweggründe für sein Handeln zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Grenzen und Regeln bieten Kindern Orientierung und Sicherheit. Es ist wichtig, klare und verständliche Grenzen und Regeln wie beispielsweise «Keine Gewalt» aufzustellen. Erläutere deinem Kind die Gründe für diese Regeln und lass es an Entscheidungen rund um eure Familienregeln teilhaben, soweit es angemessen ist.
Hilf deinem Kind, Konflikte zu lösen, anstatt es für Auseinandersetzungen zu bestrafen. Dies kommt beispielsweise in Geschwisterbeziehungen häufig vor. Aber auch für Einzelkinder bleibt relevant: Streit ist normal und gehört zum Leben dazu. Er bietet eine tolle Lernchance dafür, respektvoll miteinander zu streiten. Lehre dein Kind, alternative Lösungswege zur Gewalt zu finden und mit Frustrationen umzugehen.
Der entscheidende Unterschied zwischen logischer Konsequenz und Strafe liegt darin, wie die Konsequenzen mit dem Verhalten deines Kindes verbunden sind. Logische Konsequenzen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Verhalten und sollen deinem Kind helfen, Verantwortung zu übernehmen und aus den Erfahrungen zu lernen. Beispiel: Dein Kind stösst absichtlich ein Glas Orangensaft um. Die logische Konsequenz wäre, dass entsprechend geputzt werden muss, weil sonst der Tisch klebt. In diesem Fall könntest du, nachdem sich dein Kind beruhigen konnte, ihm einen Lappen reichen und ihm dabei helfen, aufzuwischen. Strafen hingegen sind künstlich erzeugte, negative Konsequenzen, sollen das unerwünschte Verhalten bestrafen und dem Kind zeigen, dass sein Handeln negative Folgen hat. In unserem Beispiel dürfte dein Kind dann beispielsweise eine Woche lang keinen Film schauen.
Die Fürsorge für das eigene Wohlbefinden ist von entscheidender Bedeutung, um als Elternteil geduldig, einfühlsam und reflektiert zu handeln. Indem du gut für dich selbst sorgst, kannst du möglicherweise verhindern, zumindest jedoch minimieren, dass und wie oft du zu Strafen oder Drohungen neigst. Hier sind einige Möglichkeiten, wie du gut für dich selbst sorgen kannst:
Nimm dir Zeit, um (bei Bedarf mit therapeutischer Begleitung) über deine eigenen Erziehungsmuster, Überzeugungen und Emotionen nachzudenken. Frage dich selbst, warum du in bestimmten Situationen möglicherweise zur Bestrafung neigst. Eine bewusste Selbstreflexion kann dir helfen, alternative Ansätze zu erkennen und neue Wege in der Erziehung deines Kindes zu finden.
Achte auf dein eigenes Wohlbefinden. Es ist wichtig, dass du genügend Schlaf bekommst, dich ausgewogen ernährst, regelmäßig Zeit für Entspannung und Selbstpflege einplanst und deine eigenen emotionalen Bedürfnisse ernst nimmst. Wenn du gestärkt und ausgeglichen bist, kannst du besser mit stressigen Situationen umgehen und hast möglicherweise weniger den Hang dazu, zu bestrafen.
Zögere nicht, um Hilfe zu bitten oder Unterstützung von anderen Eltern, Familienmitgliedern oder Freunden anzunehmen. Der Austausch von Erfahrungen und das Teilen von Herausforderungen können dir neue Perspektiven bieten und dich darin bestärken, alternative Handlungsmethoden zu finden.
Suche nach gesunden Strategien zur Bewältigung von Stress. Das kann regelmäßige körperliche Aktivität, Entspannungstechniken wie Meditation oder Atemübungen, das Ausüben von Hobbys oder das Schaffen von Zeit für dich selbst beinhalten. Wenn du Wege findest, Stress effektiv zu reduzieren, wirst du weniger angespannt sein und eher in der Lage sein, gelassen und einfühlsam auf dein Kind zu reagieren.
Halte den Dialog mit deinem Partner oder deiner Partnerin aufrecht. Sprecht über eure Erziehungsmethoden und sucht gemeinsam nach Alternativen zu Strafen. Offene Kommunikation und der Austausch von Ideen können helfen, gemeinsam einen liebevollen und respektvollen Erziehungsstil zu entwickeln.
Indem du gut für dich selbst sorgst und deine eigenen Bedürfnisse beachtest, kannst du deine Fähigkeit stärken, mit Geduld und Empathie auf die Bedürfnisse deines Kindes einzugehen. Es ist ein kontinuierlicher Lernprozess, und es ist völlig normal, dass Eltern auch mal an ihre Grenzen kommen. Wichtig ist jedoch, dass du dich bewusst mit deinem eigenen Wohlbefinden auseinandersetzt und aktiv nach alternativen Ansätzen suchst, um eine liebevolle und respektvolle Beziehung zu deinem Kind aufzubauen.
Dadurch, dass wir auf Drohungen und Strafen verzichten und stattdessen auf diese Alternativen setzen, können wir eine gesunde und positive Entwicklung unserer Kinder fördern. Unsere Kinder können so eher in einer Umgebung aufwachsen, in der sie sich sicher und geliebt fühlen. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, die Beziehung zu unseren Kindern zu stärken und ihnen die bestmögliche Grundlage für ein glückliches und erfolgreiches Leben zu bieten. Und dabei auch für uns eine ganz neue, liebevolle Art des Familienlebens erleben.
[1] Gershoff, E. T., et al. (2010). Parental discipline and child
aggression: Evaluating the role of child gender and age in an ethnically
diverse sample. Journal of Family Violence, 25(3), 235-243.
[2] Gracia, E., et al. (2012). Corporal punishment and children's
externalizing problems: A cross-sectional study of Spanish
schoolchildren. Journal of Applied Developmental Psychology, 33(3),
140-148.
[3] Larzelere, R. E. (2005). The scientific case against spanking, and
for redirection and alternatives. Australian Psychologist, 40(3),
158-166.
[4] Hoffman, M. L. (1983). Affective and cognitive processes in moral
internalization: An information processing approach. Merrill-Palmer
Quarterly of Behavior and Development, 29(1), 65-85.